Deep rTMS (dTMS) zur Behandlung von Zwangsstörungen
Zwangsstörungen beinhalten unerwünschte, anhaltende, angstauslösende Zwangsgedanken und sich wiederholende, zeitraubende Zwangshandlungen, die häufig schwierig zu behandeln sind. Bis zu 60% aller Betroffenen leiden trotz Medikation und Psychotherapie weiter unter erheblichen Symptomen. Entsprechend werden zunehmend Methoden wie die repetitive transkranielle Magnetstimulation (rTMS) eingesetzt, um eine weitere Symptomreduktion zu erreichen (1).
Man geht heute davon aus, dass bei Zwangsstörungen eine Fehlregulation im kortiko-striato-thalamo-kortikalen Schaltkreis für die Symptomatik verantwortlich ist. Dieser Schaltkreis kann in die sensomotorische, die kognitive und die limbische Schleife unterteilt werden. Letztere verbindet den orbitofrontalen Kortex (OFC), den medialen präfrontalen Kortex (mPFC), das supplementär motorische Areal (SMA) und den anterioren cingulären Kortex (ACC) mit subkortikalen Strukturen. Der ACC ist wichtig für die Fehlerüberwachung und die Erkennung von kognitiven Konflikten. Bei von einer Zwangsstörung Betroffenen liegt in erster Linie eine Fehlregulation in dieser limbischen Schleife vor. Worin diese Fehlregulation besteht, ist allerdings noch nicht geklärt. Es existieren verschiedene Modelle.
Eines der Modell geht davon aus, dass die limbische Schleife überaktiviert ist (2). Dies kann erklären, dass eine Stimulation des SMA mit einem klassischen hemmenden rTMS-Protokoll (1 Hz) zu einer Symptomreduktion führt (3).
Eine neuere Arbeit konnte zeigen, dass bei Zwangsstörungen eine reduzierte Konnektivität innerhalb der limbischen Schleife vorliegt und dass diese verminderte Konnektivität mit dem Schweregrad der Symptome korreliert (4). Ein neues ‘FDA-approved Protokoll’ setzt hier an, indem der mPFC und der ACC mit einem aktivierenden Protokoll (20 Hz) stimuliert werden.
Denkbar ist aber auch, dass die Stimulation von Mittellinienstrukturen wie dem mPFC und dem ACC die Funktion der grossen Netzwerke Default Mode Network (DMN) und Salience Network (SN) moduliert. Im mPFC befindet sich ein wichtiger Knotenpunkt des DMN und im ACC des SN.
Technisch ist die Stimulation von tiefen Mittellinien-Strukturen anspruchsvoller als die Stimulation z.B. des dlPFC. Dieser kann mit einer sogenannten ‘Figure of eight’-Spule gut erreicht werden:
Für die Stimulation der weniger gut zugänglichen tieferen Mittellinien-Strukturen kommt die sogenannte dTMS “deep TMS“ zum Einsatz, z.B. mit einer sogenannten ‘Double Cone’-Spule:
Gemäss dem Protokoll von Carmi et al erfolgt die Behandlung während 6 Wochen an jeweils 5 Tagen pro Woche. Dabei wird vor jeder Behandlung die Symptomatik provoziert, um die relevanten neuronalen Netzwerke zu aktivieren. In einer prospektiven, multizentrischen, randomisierten Doppelblindstudie konnte damit eine signifikante Verminderung der Zwänge erreicht werden (5). Bei der Gruppe mit der echten Stimulation wurde 4 Wochen nach Abschluss der Behandlung eine Symptomreduktion von 45%, bei der Gruppe mit der Placebo-Stimulation nur eine Reduktion von 18% gefunden.
Literatur
1. Fitzsimmons SMDD, van der Werf YD, van Campen AD, Arns M, Sack AT, Hoogendoorn AW, u. a. Repetitive transcranial magnetic stimulation for obsessive-compulsive disorder: A systematic review and pairwise/network meta-analysis. J Affect Disord. April 2022;302:302–12.
2. Menzies L, Chamberlain SR, Laird AR, Thelen SM, Sahakian BJ, Bullmore ET. Integrating evidence from neuroimaging and neuropsychological studies of obsessive-compulsive disorder: the orbitofronto-striatal model revisited. Neurosci Biobehav Rev. 2008;32(3):525–49.
3. Berlim MT, Neufeld NH, Van den Eynde F. Repetitive transcranial magnetic stimulation (rTMS) for obsessive–compulsive disorder (OCD): An exploratory meta-analysis of randomized and sham-controlled trials. J Psychiatr Res. August 2013;47(8):999–1006.
4. Posner J, Marsh R, Maia TV, Peterson BS, Gruber A, Simpson HB. Reduced functional connectivity within the limbic cortico-striato-thalamo-cortical loop in unmedicated adults with obsessive-compulsive disorder. Hum Brain Mapp. Juni 2014;35(6):2852–60.
5. Carmi L, Tendler A, Bystritsky A, Hollander E, Blumberger DM, Daskalakis J, u. a. Efficacy and Safety of Deep Transcranial Magnetic Stimulation for Obsessive-Compulsive Disorder: A Prospective Multicenter Randomized Double-Blind Placebo-Controlled Trial. Am J Psychiatry. 1. November 2019;176(11):931–8.