"Null, unendlich und die wilde 13 - Die wichtigsten Zahlen und ihre Geschichten" von Albrecht Beutelspacher
Albrecht Beutelspacher
Null, unendlich und die wilde 13 - Die wichtigsten Zahlen und ihre Geschichten
Dieses Buch ist nicht eine Geschichte der Zahlen im Sinne einer Geschichte der Verwendung von Zahlen. Nur in der Einführung geht der Autor kurz darauf ein. So fand man Strichlisten zum Zählen, die 30’000 Jahre alt sind. Neben der praktischen Bedeutung für den Alltag werden Zahlentabellen schon seit Jahrtausenden für die Dokumentation und Vorhersage der Bewegung von Sonne, Mond und Sternen benutzt, z.B. auch in Mesopotamien im 3. Jahrtausend v. Chr. Die Philosophen der Antike stellten die Frage nach dem Urgrund allen Seins. Die Pythagoreer sahen diesen in der Zahl und den Zahlenverhältnissen.
Nach der kurzen historischen Einführung werden sehr unterhaltsam einzelne Zahlen mit ihren mathematischen Eigenschaften, aber auch ihrer Symbolik vorgestellt.
1 - Es kann nur eine geben
2 - Die Zahl, die den Unterschied macht
3 - Die erste Ganzheit
4 - Die Zahl der Orientierung
5 - Die Zahl der Natur
6 - Die Form der Natur
7 - Die Zahl, die es nicht gibt
8 - Kompromisslose Schönheit
9 - Eine langweilige Zahl?
10 - Die Zahl der Rationalität
….
Dabei ist die Breite der Bezüge, die der Autor zu Literatur, Kunst, Religion und Philosophie herstellt, eindrücklich. Das Kapitel zur ‘3 - Die erste Ganzheit’ führt er so ein: “Drei ist eine in sich stimmige Zahl, und zwar die erste. Während die Eins nicht über den eigenen Horizont hinausschaut und die Zwei ein explosives Gemisch ist, ruht die Drei in sich selbst.” Aspekte der Zahl Drei auf die er eingeht: Die Drei im Dreiklang, die drei Hexen in Shakespeares Mcbeth, die drei Wünsche im Märchen, ‘Aller guten Dinge sind drei”, Steigerungen ‘gut - besser - am besten’, die rhetorische Grundregel, die auch Mephisto zu Faust sagt “Du musst es dreimal sagen!”, viele Kürzel haben 3 Buchstaben (ABC, SRF, ZDF, GLP, …), These - Antithese - Synthese und nicht zuletzt die Dreifaltigkeit Gott Vater, Sohn und Heiliger Geist.
Neben einer Auswahl natürlicher, rationaler und irrationaler Zahlen werden dann auch die 0 und Zahlen wie φ, π, e und i vorgestellt.
In ‘0 - Das Symbol des Nichts’ erzählt der Autor die Geschichte der Null. Erstaunlicherweise wurde die Null als Konzept relativ spät erfunden; man zählt ja, wenn eben etwas und nicht ‘nichts’ vorhanden ist. Wichtig ist die Null aber in sogenannten Stellenwertsystemen wie auch unseren Zahlen. Die Stelle der Ziffer in der Zahl sagt, ob es sich um 1-er, 10-er oder 100-er handelt: 103 bedeutet keinen 10-er. Ohne Null müsste man ‘103’ als ‘1 3’ oder als ‘1.3’ schreiben, was natürlich sehr fehleranfällig wäre.
In ‘φ - Der goldene Schnitt’, ‘π - Der geheimnisvolle Transzendente’ und ‘e’ - Die Zahl des Wachstums’ werden drei Grössen vorgestellt, die alle fundamentale Gesetzmässigkeiten in der Natur beschreiben und doch irrational sind. Der goldene Schnitt bezeichnet das Verhältnis, wenn man eine Strecke so in eine grosse ‘M’ und eine kleine ‘m’ teilt, dass das Verhältnis von ‘M’ zu ‘m’ gleich ist wie von ‘M+m’ zu ‘M’. In diesem Verhältnis schneiden sich die Diagonalen in einem Fünfeck und die ‘5’ hat als ‘Zahl der Natur’ (z.B. der Blütenstand vieler Blumen) eine grosse geistesgeschichtliche Bedeutung. Die Zahl ‘π’ lässt den Umfang und die Fläche eines Kreises berechnen und löst somit das Problem der Quadratur des Kreises (was mit Lineal und Zirkel nicht möglich ist). Die Eulersche Zahl ‘e’ (auch ‘Zahl des Wachstums’) ist die Basis für den natürlichen Logarithmus ln, d.h. ln(e)=1. Das besondere an der Zahl ist jedoch, dass die Ableitung von e^x (e hoch x) wieder e^x ist, so dass diese Exponentialfunktion bei vielen Lösungen von Differentialgleichungen auftaucht und in der Physik zur Beschreibung von exponentiellem Wachstum oder auch radioaktivem Zerfall zum Einsatz kommt.
In ‘i - Ist das Imaginäre vorstellbar?’ erfährt man, wie die Mathematiker einen Umgang mit den Wurzeln aus negativen Zahlen umzugehen lernten. Denn beim Lösen von Gleichungen n-ten Grades treten regelmässig Wurzeln aus negativen Zahlen auf und sie wären nicht lösbar, würde man diese nicht zulassen. Leibnitz (1646-1716) konnte hervorragend mit ihnen rechnen und nannte sie eine “feine und wunderbare Zuflucht des göttlichen Geistes, beinahe ein Amphiwesen zwischen Sein und Nichtsein”. Leonhard Euler (1707-1783) führte dann das Symbol i für die Wurzel aus -1 ein, womit i^2 = -1 ist. Auch von Euler stammt die von Mathematikern zur schönsten gekürte Formel:
Sie wird als “Eulersche Identität” bezeichnet und verbindet in einfacher Weise fünf der wichtigsten Zahlen: 0, 1, e, i und π.. Dabei sind e, i und π irrational bzw. imaginär und ergeben doch miteinander verbunden -1.
Beutelspacher A. Null, unendlich und die wilde 13: Die wichtigsten Zahlen und ihre Geschichten. 4. Aufl. München: C.H.Beck; 2020. 208 S.