Neurofeedback: Verbesserung der Selbstregulation durch Closed Loops
Eine umfassende und unbestrittene Theorie über die genaue Wirkungsweise des Neurofeedbacks existiert noch nicht. Im Folgenden erläutere ich ein Modell, welches zahlreiche wichtige Aspekte der Funktionsweise des Gehirns berücksichtigt. Zunächst darf das Gehirn nicht als passives Organ verstanden werden, das nur auf Stimuli und Informationen von aussen reagiert. Vielmehr ist es aktiv handelnd und dann überprüfend, wie sich dies auswirkt: das Gehirn als Vorhersageorgan bzw. als Überprüfer von Vorhersagen (cf. Das Bayesianische Gehirn). So kann auch verstanden werden, dass man sich nicht selber kitzeln kann. Die „kitzelnden Finger“ stellen keine Überraschung dar, die Wahrnehmung wird schon vorhergesagt. Die ständige Verbesserung der Vorhersagen bzw. die Anpassung an neue äussere und innere Bedingungen verläuft für die meisten Prozesse unbewusst: das Kind lernt das Sprechen durch ständigen Versuch und Irrtum, ohne einer bewussten Strategie zu folgen.
Eine weitere Eigenschaft des Gehirns ist das Erkennen der eigenen Autorschaft. Bewegt man sich z.B. in einer Menschenmenge und sieht man sich auch nur im Augenwinkel zufällig in einem Spiegel, so bemerkt man sofort, dass man sich selber dort bewegt. Die von sich selber verursachte Bewegung wird als solche aus zahlreichen anderen heraus automatisch erkannt. Den umgekehrten Fall kann man bei zahlreichen psychischen Störungen beobachten. Z.B. die Wahrnehmung des Gemachten bei Psychosen: die Patientin erlebet eigene Bewegungen als von aussen gesteuert.
Schliesslich ist das Hirn ein selbstorganisierendes Organ, das mit sich selbst interagiert. Der Output von Prozessen in einem Areal ist Input für Prozesse in einem anderen und umgekehrt. Dieses hirninterne Feedback ist während der Ausbildung und Entwicklung des Hirns, aber auch zur Homöostase wichtig.
Werden dem Hirn nun durch Neurofeedback interne Zustände gespiegelt, kann es die eigene Autorschaft erkennen und beginnt im Rahmen von Rückkopplungs-Loops die Kontrolle zu übernehmen und die Vorhersagen kontinuierlich zu optimieren. Der Prozess ist nie beendet, immer gibt es Abweichungen, die wieder korrigiert werden müssen, genauso wie der Alltag immer wieder neue Herausforderungen bereithält, die bewältigt werden müssen. Durch ständiges Üben werden die Prozesse aber immer effizienter bzw. wird die Selbstregulation besser. Der Unterschied zwischen dem Alltag und dem Neurofeedback besteht darin, dass bei letzterem die Kontroll-Schleife enger ist, eben direkt vom EEG-Signal zurück zum Hirn und nicht über den Umweg von Handlungen mit der Interpretation des Resultats. Neurofeedback ist somit eine Technologie, die auf «closed loops» basiert, die die Verbesserung der Selbst-Regulations-Kompetenz des Gehirns ermöglicht.
Beschäftigt sich das Gehirn mit dem Feedbacksignal entstehen neue neuronale Assemblies, d.h. funktionelle Netzwerke. Dabei konnte gezeigt werden, dass diese schon nach wenigen Sitzungen die Hirn-Funktionalität verändern. Kritisch kann man argumentieren, dass die durch das Neurofeedback erzielte Besserung unspezifisch ist und nur über Suggestion bzw. die therapeutische Beziehung zustande kommt. Kontrollierte Studien mit Sham-Neurofeedback und funktioneller MRI vor und nach Behandlungssitzungen konnten aber spezifische Effekte nachweisen. Deren Interpretation in einem konsistenten Modell oder auch das Ableiten individueller Protokolle ist aber noch nicht gelungen.
Zur Beschreibung der Neurobiologie des Neurofeedbacks hat es sich bewährt, dieses in drei Prozesse aufzuteilen: die Neurofeedback-Kontrolle, das Verarbeiten der Belohnungen und das Lernen. Während des Neurofeedbacks werden Strukturen aktiviert, die mit der bewussten Bearbeitung des Neurofeedback-Settings zu tun haben (Neurofeedback-Kontrolle; neurofeedback neural contour): der dorsolaterale Präfrontalkortex (dlPFC), der posteriore parietale Kortex (PPC) und der laterale okzipitale Kortex (LOC) (letztere bei visuellem Feedback).
Beim bewussten Monitorisieren der Belohnungen und der Inhibits sind als wichtige Areale des Salience Netzwerks der anteriore cinguläre Cortex (ACC) und der anteriore insuläre Cortex (AIC) beteiligt. Die unbewusste Verarbeitung der Belohnung erfolgt im ventralen Striatum (VS).
Um das Erlernen einer verbesserten Hirnfunktionalität durch Neurofeedback zu erklären, kommen im Wesentlichen zwei Lernmodelle zur Anwendung. Auf der einen Seite operantes Lernen: die Patientin entwickelt bewusste kognitive Strategien, die durch die explizite Belohnung (flüssig laufende Animation) verstärkt werden. Man spricht auch von explizitem Neurofeedback. Dieses operante Lernen kann nur einen Teil der Wirkungsweise des Neurofeedbacks erklären, denn häufig sind die Resultate bei bewusst gewählten Strategien schlechter als wenn das Feedback wertfrei und ohne Auftrag beobachtet wird, d.h. keine beabsichtigte Aufmerksamkeit verlangt wird. Dieses implizite Lernen kann durch ein unterhalb der bewussten Wahrnehmung präsentiertes Feedback begünstigt werden.
Die bewussten Strategien mit operantem Lernen ist bei den BCI-Technologien (BCI: Brain Computer Interface) im Vordergrund. Das implizite Lernen mit Verbesserung der internen neuralen Modelle dürfte beim therapeutischen Neurofeedback zur Behandlung psychischer Störungen wichtiger sein. In beiden Fällen ist aber das dorsale Striatum (DS) im Lernprozess beteiligt (prozedurales Lernen).
Zusammengefasst kann das Neurofeedback-Training als eine «Hirn-Übung» verstanden werden, bei der durch das Feedback der vorherrschende Hirnzustand «gestört» wird und unbewusste Regulationsmechanismen erzwungen werden, die dann zur Stabilisierung eines günstigeren Funktionszustandes führen.
Literatur
Sitaram R et al. Closed-loop brain training: the science of neurofeedback. Nature Reviews Neuroscience volume 18, pages86–100(2017).
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