Welche Neurofeedback-Verfahren gibt es?
Beim Neurofeedback werden EEG-Rhythmen gemessen und über ein visuelles oder ein akustisches Signal bewusst gemacht. Dass sich überhaupt ein EEG ableiten lässt, beruht darauf, dass sich bei Erregung eines Hirnrindenareals eine negative, bei Hemmung eine positive Spannung messen lässt:
Gesteuert von tiefen Hirnstrukturen wie Thalamus und Formatio reticularis wechseln Erregung und Hemmung der verschiedenen Hirnareale rhythmisch.
Die einzelnen Rhythmen korrelieren dabei mit verschiedenen mentalen Zuständen:
High-Beta (20-30 Hz): Anspannung
Low-Beta (15-20 Hz): aufmerksame Wachheit
SMR (12-15 Hz): aufmerksame Wachheit bei motorischer Entspannung
Alpha (8-12 Hz): unaufmerksame Wachheit bei motorischer Entspannung
Theta (4-7 Hz): Schläfrigkeit
Delta (1-3 Hz): Schlaf
Neben diesen rhythmischen Wechseln von Erregung und Hemmung der Hirnrinde finden sich langsame Verschiebungen der kortikalen Erregbarkeit, die von wenigen hundert Millisekunden bis zu einigen Sekunden dauern können: die Slow Cortical Potentials (SCPs). Negative SCPs korrelieren dabei mit einer niedrigeren Schwelle für die Erregung des Hirnrindenareals, beobachtbar z.B. bei der kognitiven Vorbereitung einer Handlung: Contingent Negative variation (CNV). Positive SCPs hingegen korrelieren mit einer verminderten kortikalen Erregbarkeit.
Weiter existieren auch Infra-Slow Fluctuations (ISF) der kortikalen Aktivität, d.h. Oszillationen der kortikalen Erregbarkeit im Bereich von 0.01 Hz und weniger. Diese Oszillationen korrelieren mit denjenigen des BOLD-Signals (blood oxygenation level-dependent) von fMRI-Untersuchungenund werden mit der Aktivität von Intrinsic Connectivity Networks (ICNs) in Verbindung gebracht.
Nachdem im Tierexperiment entdeckt wurde, dass sich durch das Trainieren von EEG-Rhythmen mentale Zustände beeinflussen lassen, wurde in den 1970er Jahren mit dem Frequenzband-Training begonnen. Dabei wird durch operante Konditionierung (Lernen durch Belohnung) die gewünschte EEG-Frequenz verstärkt. Erreicht diese eine gewünschte Amplitude, so erfolgt die Belohnung (Reward) in aller Regel dadurch, dass die Graphik auf dem Bildschirm besser wird oder aber Musik schöner läuft. Fällt die gewünschte EEG-Frequenz unter eine gewisse Amplitude oder aber treten unerwünschte EEG-Aktivitäten auf, so wird die Belohnung entzogen (Inhibit).
Ein klassisches Frequenzbandtraining ist das SMR-Training, bei welchem der Sensomotorische Rhythmus (12 – 15 Hz über dem motorischen Kortex) für das Feedback verwendet wird. Haupteinsatzgebiet ist dabei die ADHS-Behandlung: der SMR-Rhythmus korreliert mit einem motorisch entspannten, dabei aber wachen und konzentrierten Zustand.
Auch dem klassischen Frequenzbandtraining zuzuordnen ist das Alpha/Theta-Training. Dabei werden die Frequenzen im Bereich von Alpha (8-12) und Theta (4-8) trainiert. Dadurch wird ein hypnagoger Zustand erreicht, d.h. ein Zustand zwischen Wachsein und Schlaf, die Aufmerksamkeit ist mehr nach innen gerichtet, das explizite Denken von einem mehr bildlichen assoziativen Denken abgelöst. Das Training distanziert von äusserer Wahrnehmung und führt hin zu einem ruhigen inneren Fokus und ist mit der Trance in der Hypnose zu vergleichen. Das Training dieses Zustandes hat einen beruhigenden Effekt und wird traditionellerweise zur Behandlung der PTBS (posttraumatische Belastungsstörung) eingesetzt, um in diesem Zustand schmerzhafte Erinnerungen durch günstige Visualisierungen zu bewältigen. Ein anderes wichtiges Anwendungsgebiet ist die Peak-Performance: das Alpha/Theta-Training wird genutzt, um den Zielzustand bzw. die Ziel-Performance zu visualisieren.
Das SCP-Training ist kein klassisches Neurofeedback-Training. Es wird nicht ein Frequenzband während 20-40 Minuten kontinuierlich trainiert, sondern in bis zu 100 Durchgängen à 8 Sekunden geübt, die Erregungsschwelle zu verschieben, indem das Erreichen eines negativen SCPs belohnt wird. Es wird somit eine verbesserte Selbstregulation der Erregbarkeit der Hirnrinde erreicht.
Beim ILF-Neurofeedback (Infra Low Frequencies) wird auch nicht eigentlich ein Frequenzband trainiert. Vielmehr beruht der Effekt auf den Mechanismen der «closed loops» (cf. entsprechender Eintrag), die die Selbst-Regulations-Kompetenz des Gehirns verbessern. Die «Frequenz-Einstellung» am Neurofeedbackgerät stellt keine «Belohnungsfrequenz» mehr dar, sondern beeinflusst die Frequenz des «control loops» (Regelschleife mit natürlicher Kreisfrequenz), welcher zwischen Hirn und Feedbacksystem entsteht. Das ILF-Neurofeedback wird auch nach den Entwicklern als Othmer-Verfahren bezeichnet. Neben dem Feedback der ISFs werden gleichzeitig aber auch Elemente des Frequenzbandtrainings beibehalten, nämlich Inhibits bei abrupten Amplitudenänderungen in höheren Frequenzbereichen bis 40 Hz.
Literatur
Haus K-M, Held C, Kowalski A, Krombholz A, Nowak M, Schneider E, u. a. Praxisbuch Biofeedback und Neurofeedback. 3. Aufl. Springer; 2020.
Hiltunen T, Kantola J, Abou Elseoud A, Lepola P, Suominen K, Starck T, u. a. Infra-Slow EEG Fluctuations Are Correlated with Resting-State Network Dynamics in fMRI. J Neurosci. 8. Januar 2014;34(2):356–62.
Gevensleben H, Albrecht B, Lütcke H, Auer T, Dewiputri WI, Schweizer R, u. a. Neurofeedback of slow cortical potentials: neural mechanisms and feasibility of a placebo-controlled design in healthy adults. Front Hum Neurosci. 2014;8:990.