Fokussiert! Wir sind, worauf wir uns fokussieren.
Mit ‘fokussiert sein’ meinen wir, dass wir unsere Aufmerksamkeit willentlich gebündelt auf einen einzigen Gedankengang, auf eine einzige Wahrnehmung oder eine einzige Tätigkeit und nicht gleichzeitig auf mehrere richten. Gerne wird dies mit dem Lichtkegel eines Scheinwerfers im Theater verglichen, der einzelne Schauspieler anleuchtet und nicht den ganzen Saal erhellt.
Ist der Inhalt interessant, auf den wir unsere Aufmerksamkeit richten, so fällt es uns oft leicht, den Fokus ausdauernd über eine längere Zeit aufrechtzuerhalten, wir bleiben ‘konzentriert’, also auf den Mittelpunkt hin ausgerichtet. Ist der Inhalt wenig interessant oder aktuell nicht wichtig bzw. das Aufschieben nicht bedrohlich, so ist dies eine geistige Anstrengung und die Konzentration lässt mit der Zeit nach.
Besteht zudem ein innerer Widerstand für die aktuelle Aufgabe (von aussen diktiert), so sucht sich unser Geist gerne einen spannenderen oder persönlich wichtigeren Inhalt. Wir lieben Ablenkungen! Diese Lust auf Neues (novelty seeking) darf aber nicht nur als negativ interpretiert werden. Evolutionär kann darin auch der Sinn gesehen werden, die Umgebung immer nach Gefahren einerseits und Chancen andererseits zu scannen; wir wollen sowohl ein Raubtier im Gebüsch als auch Beeren an einem Streich wahrnehmen.
Sind wir aber zu sehr abgelenkt, wird jeder unserer Gedankengänge wiederholt unterbrochen, so denken wir nicht klar. Wird jede unserer Tätigkeiten unterbrochen, so arbeiten wir nicht effizient. Auch ist es wichtig, dass wir entscheiden können, worauf wir uns unseren Fokus richten, dass wir dien Lichtkegel der Aufmerksamkeit steuern können - wir sind, worauf wir uns konzentrieren.
Wir brauchen also die Fähigkeit zu fokussieren, um klarer denken und effizienter arbeiten zu können. Dabei geht es nicht um eine weitere Effizienzsteigerung und Selbstoptimierung. Es geht nicht darum, keine Ruhezeiten und keine ineffizienten Momente am Tag zu haben. Es geht darum, dass wir arbeiten, wenn wir arbeiten und ruhen, wenn wir eben ruhen. Beides gewinnt an Qualität, unser Handeln und unser Ruhen.
Wenn wir nicht nur einen Gedanken oder Tätigkeit zulassen, dann sieht der Lichtkegel unserer Aufmerksamkeit so aus:
Dies entspricht dem berühmten Multitasking und funktioniert eben nicht, wie zahlreiche neuropsychologische Untersuchungen zeigen konnten. Zumindest funktioniert es nicht, wenn die verschiedenen Inhalte einer bewussten Bearbeitung bedürfen. Einzig bei Gewohnheiten ist es möglich. Wir können z.B. die Küche putzen, dabei herumgehen und dennoch ein inhaltlich wichtiges Gespräch führen.
Eine komplexe Aufgabe kann aber nur gut bearbeitet werden, wenn sie als einzige im Lichtkegel ist:
Zwei komplexe Aufgaben können nicht gleichzeitig bearbeitet werden. Die Aufmerksamkeitssysteme sind überlastet, was zu schlechten Ergebnissen und einer ungenügenden Abspeicherung des Getanen und Erlebten führt. Wir können uns in der Folge nur schlecht erinnern.
Neben der Situation mit den Gewohnheiten gibt es eine weitere Situation, in welcher gleichzeitig auf zwei Inhalte fokussiert werden kann: eine Aufgabe und die Absicht, mit welcher wir die Aufgabe erfüllen. Wir wir also ‘im Auge behalten’, was wir mit einer konkreten Tätigkeit übergeordnet erreichen wollen.
Die meisten von uns kennen das Erlebnis sehr produktiver Arbeitstage. Man vergisst die Zeit, lässt sich kaum ablenken bzw. kehrt nach Ablenkungen ohne Mühe wieder zur Aufgabe zurück. Gleichzeitig ist man am Abend weniger erschöpft als an Tagen mit weniger Fokus bei weniger erledigten Aufgaben.
Mihály Csíkszentmihályi führte für diesen Zustand den Begriff «Flow» ein: ein mentaler Zustand völliger Vertiefung und restlosen Aufgehens in einer Tätigkeit. Typischerweise wird dieser Zustand erreicht, wenn die Aufgabe nicht langweilig aber auch nicht überfordernd ist.
Im Zusammenhang mit ADHS ist gerne vom Hyperfokus die Rede. Das bedeutet, dass es auch ADHS-Betroffenen gelingen kann, vollkommen in eine Tätigkeit einzutauchen und dieser fokussiert nachzugehen. Der Lichtkegel der Aufmerksamkeit ist dann vollkommen von einem Task ausgefüllt.
Wie kann es gelingen, sich nur auf eine Sache zu konzentrieren oder gar gezielt in den Zustand des Flows oder des Hyperfokus zu kommen?
Einfach ist es auf alle Fälle nicht, v.a. auch nicht in einer ablenkenden Welt mit ständigen News, Posts, Nachrichten und Anfragen auf verschiedenen Kanälen, die beantwortet werden wollen. Neben gezielten Strategien zur Reduktion von Ablenkungen und der bewussten Planung mit immer nur einer komplexen Aufgabe zur selben Zeit können Methoden wie die Meditation helfen, dass es gezielter und öfter gelingt, den Lichtkegel der Aufmerksamkeit zu vergrössern bzw. mit nur einer Aufgabe auszufüllen.
Literatur
Bailey C. Hyperfocus: How to Work Less to Achieve More. Main Market Edition. London: Pan; 2020. 256 S.
Csikszentmihalyi M. Flow: The Psychology of Optimal Experience. New York: Harper Perennial Modern Classics; 2008. 336 S.
Newport C. Deep Work: Rules for Focused Success in a Distracted World. 1. Aufl. London: Piatkus; 2016. 304 S.