Was sind Intrinsic Connectivity Networks?
Durch die kognitiven Neurowissenschaften werden zahlreiche neuronale Netze beschrieben, welche für verschiedene Funktionen des menschlichen Denkens, Fühlens und Handels verantwortlich sind. Zudem können neuropsychiatrische Krankheiten als Ausdruck einer Störung eines oder mehrere dieser Netzwerke besser verstanden werden. Ein wichtiges Konzept ist dabei die Unterscheidung dreier grosser “Intrinsic Connecitivity Networks (ICN)”: Default Mode Network, Central Executive Network und Salience Network.
Das Default Mode Network (DMN; Ruhezustandsnetzwerk) ist aktiviert beim Tagträumen, beim Erinnern an die eigene Biographie, beim Planen der Zukunft und bei sozialer Kognition, d.h. beim von äusseren Reizen unabhängigen Denken. Zu den beteiligten Hirnregionen gehören der ventro-mediale präfrontale Kortex (vmPFC), Praecuneus, der posteriore cinguläre Kortex (PCC) und der Lobulus parietalis superior:
Das Central Executive Network (CEN; Zentrale Exekutive) ist aktiviert bei kognitiven Funktionen wie Arbeitsgedächtnis, Problemlösen, Entscheidungsfindung. Die wichtigsten Strukturen sind der dorsolaterale präfrontale Kortex (dlPFC) und der posteriore Parietalkortex (PPC):
Das Salience Network (SN; Salience-Netzwerk) detektiert Auffälligkeiten und steuert damit das Verhalten zu den aktuellen Notwendigkeiten. Es beinhaltet den anterioren insulären Kortex (AI)und den dorsalen anterioren cingulären Kortex (dACC) mit Konnektivität zu subkortikalen und limbischen Strukturen:
Man geht davon aus, dass das Salient Network die Aktivitäten des DMN und des CEN moduliert, d.h. das CEN aktiviert bzw. das DMN deaktiviert und umgekehrt, je nachdem ob nach aussen oder innen gerichtete Aufmerksamkeit und kognitiv-emotionale Verarbeitung notwendig ist. Es schaltet also zwischen dem lateralen frontoparietalen CEN und dem medialen frontoparietalen DMN hin und her, um die Aufmerksamkeit auf aufgabenrelevanten Zielen zu halten:
Eine Funktionsstörung des SN führt zu Hypo-/Hyperarousal bzw. Hypo-/Hyper-Interozeption. Bei der frontotemporalen Demenz vermutet man eine beeinträchtigte Konnektivität dieses Netzwerkes. Eine Unterfunktion dürfte dem Autismus, eine Überfunktion Angsterkrankungen und chronischen Schmerzen zugrunde liegen. Bei der Schizophrenie dürfte das Detektieren innerer Stimuli verstärkt sein.
Veränderung der Funktion des DMN können zu veränderter Selbstwahrnehmung, verstärktem Tagträumen und auch Grübeln führen. Eine Überaktivierung findet sich bei der AD(H)S. Eine Funktionsstörung von Knotenpunkten im posterioren cingulären Kortex und im medialen Temporallappen liegt bei der Alzheimerkrankheit vor. Das Grübeln bei Depression wird als Ausdruck einer Überaktivierung ventromedialer frontaler Anteile des Netzes gesehen.
Defizite im CEN führen zu exekutiven Defiziten und können damit die Bewältigung des Alltags beeinträchtigen. Störungen der Knotenpunkte oder der Vernetzung finden sich bei vielen neuropsychiatrischen Störungen wie Depression, Schizophrenie und Alzheimerkrankheit.
Angst, Depression, Autismus, Schizophrenie und Demenz können somit als Störungen der Konnektivität grosser neuronaler Netze verstanden werden. Zudem kann dieses Modell helfen, hypothesengeleitet neurotherapeutische Verfahren wie rTMS, tDCS oder auch Neurofeedback einzusetzen.
Literatur
Menon V. Large-scale brain networks and psychopathology: a unifying triple network model. Trends Cogn Sci. Oktober 2011;15(10):483–506.
Lanius RA, Frewen PA, Tursich M, Jetly R, McKinnon MC. Restoring large-scale brain networks in PTSD and related disorders: a proposal for neuroscientifically-informed treatment interventions. Eur J Psychotraumatology. 2015;6:27313.