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Was sind Emotionen?

Emotionen sind komplexe psychische und physische Prozesse. Sie gehören ganz grundlegegend zum Menschsein und stellen ein wichtiges System dar, um uns Gefahren meiden zu lassen und zu Belohnungen hinzuführen.

Emotionen sind eine Reaktion auf bewusst oder auch unbewusst wahrgenommene innere oder äussere Reize. Sie umfassen:

  • ein subjektives ‘Gefühl’ (subjektives körperliches Empfinden)

  • kognitive Prozesse (Bewertung als lustig oder gefährlich etc.)

  • sichtbare körperliche Reaktionen (z.B. Lachen, Weinen, Erröten )

  • Verhalten (z.B. Zuwendung, Flucht)

Entstehung von Emotionen

Was ist zuerst da: die Emotion oder die körperliche Reaktion? Sind wir traurig, weil wir weinen – oder weinen wir, weil wir traurig sind? Das ist eine alte Frage, und sie lässt sich nicht abschliessend klären. Denn je nach Situation, die man betrachtet, haben die unterschiedlichen Theorien alle ihre Stärken.

Einig ist man sich hingegen in der Frage, wie ein äusserer Reiz eine Emotion auslöst: Visuelle Eindrücke, Geräusche oder auch Berührungen werden im ‘Thalamus’ einerseits über schnelle Bahnen zur ‘Amygdala’ (Mandelkern) und andererseits über langsame Bahnen zum ‘sensorischen Kortex’ weitergeleitet. In der Amygdala werden die Informationen sofort bewertet und das Resultat an den ‘Hypothalamus’ und zum ‘motorischen Kortex’ weitergeleitet. Durch die Ausschüttung von Hormonen und die Veränderung der Aktivität des vegetativen Nervensystems werden dann körperliche Reaktionen wie schneller Puls und Muskelanspannung ausgelöst. Sie führen z.B. zur kognitiven Bewertung von Gefahr – und damit zum bewussten Erleben von Angst. Und gleichzeitig wird über den motorischen Kortex Verhalten ausgelöst, z.B. Erstarren oder Weglaufen.

Langsamer als diese Reaktion erfolgt die Verarbeitung im sensorischen Kortex. Hier werden die Informationen zum Abgleich mit Vorerfahrungen und zur bewussten Beurteilung vorverarbeitet. Ergibt diese Analyse, dass es sich gar nicht um eine Gefahr handelt, so wird über den ‘präfrontalen Kortex’ die Amygdala beruhigt. – Das eröffnet die Möglichkeit, dass Emotionen auch bewusst reguliert werden können.

Ein klassisches Beispiel für diese Abläufe ist das Erschrecken, wenn wir am Boden eine gewellte Struktur sehen – und etwas verzögert dann merken, dass es gar keine Schlange ist, und wir uns schnell wieder beruhigen.

Primäre Emotionen

Emotionen kann man auf verschiedenste Art einteilen. Aber wenn man Durst, Hunger und Schmerzen auch zu den Emotionen zählt, dann werden sie gerne als ‘einfach’ bezeichnet, im Gegensatz zu ‘komplexen’ Emotionen wie z.B. Freude oder Wut. Letztere werden zudem zu den primären Emotionen gerechnet:

  • Freude - Traurigkeit

  • Wut - Angst

  • Überraschung - Ekel

Diese primären Emotionen sind angeboren, und die mit ihnen einhergehenden Gesichtsausdrücke gelten als kulturübergreifend gleich. Sie signalisieren unseren Gefühlszustand, und umgekehrt erlauben sie es uns, Rückschlüsse auf das Befinden unserer Mitmenschen zu ziehen.

Sekundäre Emotionen

Sekundäre Emotionen werden auch als soziale Emotionen bezeichnet. Sie basieren auf einem tieferen Verständnis der Welt, des Selbst und der sozialen Beziehungen. Beispiele sind:

  • Peinlichkeit

  • Eifersucht

  • Stolz

  • Schuld

  • Scham

  • Verachtung

  • Neid

  • Bewunderung

  • Mitleid

Da für diese Emotionen ein Verständnis der Trennung des Selbst von der Welt vorhanden sein muss, treten sie erst auf, wenn sich zumindest ein rudimentäres Selbstkonzept entwickelt hat, d.h. im Kleinkindalter. Eine weitere Voraussetzung für sekundäre Emotionen ist, dass Werte und Normen internalisiert wurden, um das eigene Verhalten werten zu können. So entstehen z.B. Scham oder Schuld durch den Vergleich der eigenen Handlung mit Normen, die sozial erwünscht sind.

Emotionen sind somit wichtige psycho-physiologische Prozesse, die unser Verhalten wesentlich mitsteuern.

  • Die primären Emotionen erlauben es uns, die aktuelle Situation schnell zu bewerten: Sind wir in Gefahr oder können wir uns entspannen?

  • Und die sekundären Emotionen regulieren über extern und auch intern gesetzte Standards unser soziales Verhalten.